Wie schmutzig ist deine Kapitalanlage? Wenn man durchschnittlichen Anleger:innen diese Frage stellt, hätten sie wahrscheinlich nicht die leiseste Ahnung, warum man sie stellt und noch weniger, wie sie diese beantworten sollen. Denn dreckige Investmentfonds müssen nicht vor den Schäden warnen, welche sie dem Naturkapital oder zum Beispiel der Biodiversität zufügen. Anderseits müssen Fonds, die den Anspruch auf Nachhaltigkeit erheben, dies explizit nachweisen.
Im November 2022 wurde die Investmentbranche kräftig durchgeschüttelt. Investico, die Plattform für investigativen Journalismus, veröffentlichte "The Great Green Investment Investigation", eine groß angelegte Studie, die ans Licht brachte, dass rund die Hälfte der dunkelgrünen Fonds in Europa, d.h. die Artikel 9 Fonds, die angeblich die nachhaltigsten auf dem Markt sind, immer noch in Kohle-, Gas- und Fluggesellschaften investieren. Das bedeutet, dass über 8 Mrd. EUR an Kapitalanlagen, die als nachhaltig bezeichnet werden, in umweltschädliche Industrien fließen.
Die einzige Frage, die wir uns zu Recht stellen können, ist: Wie ist das überhaupt möglich? Ein häufiges Argument ist, dass die Regeln und Vorschriften der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation -SFDR) nicht eindeutig sind und Raum für Interpretationen lassen. Lassen Sie uns Folgendes klarstellen. Wir sind der Meinung, dass die Gesetze und Vorschriften glasklar sind: Investitionen in Unternehmen, die fossile Brennstoffe nutzen, haben in einem Artikel 9-Fonds nichts zu suchen. Und selbst wenn die Vorschriften nicht ganz eindeutig wären, sollte sich die Finanzbranche bei ihrer Auslegung nicht nur auf den Buchstaben des Gesetzes, sondern vor allem auf seinen Geist stützen.
Es ist also durchaus gerechtfertigt und richtig, dass diese Studie die Gemüter erregt hat. Wenn neue Gesetze und Vorschriften eingeführt werden, um Transparenz darüber zu schaffen, wie nachhaltig Fonds sind, müssen Anleger:innen darauf vertrauen können, dass die Informationen, die sie erhalten, korrekt sind. So können sie auf der Grundlage dieser Informationen wohlüberlegte Anlageentscheidungen treffen. Nur dann hat die Offenlegungsverordnung eine Chance, das zu tun, wofür sie entwickelt wurde, nämlich mehr Kapital in nachhaltige Initiativen zu lenken und Greenwashing zu verhindern.
Acht Milliarden Euro klingen nach sehr viel Geld – und so ist es. Aber es ist trotzdem nur ein Bruchteil des gesamten Marktes. Die meisten Kapitalanlagen werden immer noch in Fonds getätigt, die keine oder fast keine Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen. Lass uns diese Fonds „dreckige Fonds“ nennen.
Und genau hier liegt unserer Meinung nach ein Fehler im System, der viel zu wenig beachtet wird. Denn warum haben wir Gesetze und Vorschriften, die vorschreiben, wie Fonds ihr Maß an Nachhaltigkeit ausweisen müssen, aber im Gegenzug nur begrenzte Rechtsvorschriften, die darauf abzielen, Anleger:innen vor all den Tausenden von Fonds zu warnen, die Menschen, unserem Planeten oder der Umwelt schaden? Natürlich dürfen grüne Produkte nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verkauft werden, aber es ist vielleicht noch wichtiger zu zeigen, dass "normale" Investmentfonds in der Regel dazu beitragen, die Zukunft der Menschheit zu zerstören. Wir haben Warnhinweise auf Zigarettenschachteln und Nährwertangaben, die den Verbraucher:innen helfen, fundierte Entscheidungen über eine gesunde Lebensweise und Ernährung zu treffen. Auch bei Geldanlagen sollten wir beide Seiten der Medaille zeigen.
Das ist ein Systemfehler, der ganz einfach behoben werden kann. Nicht durch die Einführung neuer Gesetze, denn davon gibt es im Finanzsektor schon genug. Sondern indem man deren Geltungsbereich ändert. Indem alle Fonds verpflichtet werden, ihre Auswirkungen zu veröffentlichen - im positiven wie im negativen Sinne. Nur dann werden wir einen fairen und transparenten Markt bekommen. Mehr verpflichtende Informationen von dreckigen Fonds über den Schaden, den sie anrichten, ist wie das Bewegen von Steinen in einem Fluss: Es wird den Kapitalfluss in einem solchen Ausmaß verändern, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Welt beschleunigt wird.
Denn die Anlageentscheidungen von heute bestimmen, wie unsere Zukunft aussehen wird. Wenn sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen auf einen Blick ersichtlich sind, wird es viel einfacher, die richtigen Anlageentscheidungen zu treffen.
Hadewych Kuiper ist Geschäftsführerin von Triodos Investment Management. Hans Stegeman ist Chefvolkswirt bei der Triodos Bank.
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