Martin Betzold ist Prokurist und Bereichsleiter Marketing und PR bei Green City Energy. Zum Gespräch besuchen wir ihn im Münchner Bahnhofsviertel. Hier ist die bayerische Hauptstadt ganz anders als ihr Schickeria-Ruf. Türkische Lebensmittelgeschäfte, Döner-Imbisse und Handyläden ergeben ein buntes Bild; hier ist München weniger aufgeräumt als rund um die touristisch beliebten Attraktionen Marienplatz und Viktualienmarkt oder die mondäne Maximilianstraße. Etwas abseits vom geschäftigen Treiben finden wir Green City Energy in einem Hintergebäude der Goethestraße.
In einem ehemaligen, alten Fabrikgebäude mit schweren Eisentüren und hohen Räumen, das – ebenfalls ganz untypisch für München – noch nicht luxussaniert wurde. Hier arbeitet auf mehreren Stockwerken das Team von Green City Energy mit rund 80 Leuten an der Energiewende. Wir sprachen mit Martin Betzold, Prokurist und Bereichsleiter Marketing und PR bei Green City Energy, über die Zukunft der Photovoltaik in Deutschland und die Beteiligung der Bürger an der Energiewende. Und darüber, warum die Dezentralisierung unserer Energieversorgung der Regierung ein Dorn im Auge ist.
Ein großer Hebel
Angefangen hat alles mit der Umweltorganisation Green City e.V. Der Münchner Verein engagiert sich seit 1990 in den Bereichen nachhaltige Mobilität, Stadtgestaltung und Klimaschutz. Um die Jahrtausendwende steckten die Erneuerbaren Energien noch in den Kinderschuhen. Als Vorläufer des aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gab es zu dieser Zeit aber schon das 100.000-Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaik (PV). Und Green City begann im Sinne eines möglichst wirkungsvollen Klimaschutzes an seinem Ziel “100 % Erneuerbare Energien” zu arbeiten.
Das Geschäftsmodell für mehr grünen Strom, das 2000 entwickelt wurde und im Grunde auch heute noch die Basis von Green City Energy darstellt, ist einfach und innovativ zugleich: Solaranlagen werden auf Dächer gebaut. Und Bürger werden für einen fixen Zeitraum finanziell an diesen Anlagen beteiligt. Was im Verein begann, übernahm dann die hundertprozentige Tochter des Vereins, die Green City Energy GmbH, die 2005 gegründet wurde. Seitdem setzt das Unternehmen Erneuerbare-Energien-Projekte in den Bereichen Sonnen-, Wind- und Wasserkraft sowie Bio-Energie in Verbindung mit ökologischen Geldanlagen um; eine weitere Säule ist die kommunale Energieberatung.
Grüner Strom ist nicht nur ökologisch rentabel
Seit Herbst 2011 ist Green City Energy eine nicht börsennotierte AG mit 162 Aktionären. Durch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurden die Kapitalgeber der ersten Stunde, das heißt die Zeichner von Unternehmensgenussrechten, direkt am Unternehmen beteiligt. Insgesamt haben rund 1.000 Bürger rund 10 Millionen Euro Kapital bereitgestellt. Ein Großteil von ihnen ist durch Aktienoptionen perspektivisch an der Gesellschaft beteiligt. Auch die Mitarbeiter, die Green City Energy laut Betzold durch ihren unglaublichen Einsatz und schmale Gehälter groß gemacht haben, gehören zu den Inhabern von Aktienoptionen. Die Mehrheit der AG gehört aber nach wie vor dem Verein, der dauerhaft als Mehrheitsaktionär die ökologischen Leitplanken des Unternehmens bestimmen wird. Neben den Unternehmensgenussrechten gibt es die Möglichkeit zu Direktbeteiligungen an Energieprojekten über Erneuerbare-Energien-Fonds und Projektgenussrechte. Bis heute haben 2.800 Anleger mit Investitionen in Höhe von gut 45 Millionen Euro den Aufbau von 250 Energieprojekten durch Green City Energy ermöglicht. Über diese Bürgerbeteiligungsmodelle können private Anleger die Energiewende nicht nur vorantreiben, sondern vom Wachstumsmarkt Erneuerbare Energien auch finanziell profitieren.
Green City Energy gehört zu den Pionieren der Erneuerbaren Energien. Von Anfang an hat sich der Energiedienstleister breit aufgestellt und auf einen grünen Energiemix gesetzt. „Die Energiewende funktioniert nur, wenn wir den Energiemix haben, also Sonne und Wind und Wasser“, erklärt Betzold. Der Bau von Solaranlagen war bisher das Kerngeschäft der Energiemacher, nicht zuletzt wegen der attraktiven gesetzlichen Rahmenbedingungen mit einer garantierten Einspeisevergütung für Strom aus Photovoltaikanlagen. Bereits seit einiger Zeit haben sich aber die Wind- und Wasserenergie zu wichtigen Standbeinen von Green City Energy entwickelt. Vor dem Hintergrund der nach wie vor unklaren Absenkung der Einspeisevergütung von Solarstrom ist das Unternehmen mit der Ausrichtung auf mehrere Geschäftsfelder strategisch richtig gefahren.
Für mehr Erneuerbare Energien
Seit 2000 gibt es in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), um den Ausbau der Energiegewinnung aus regenerativen Quellen voranzutreiben und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Die beiden Säulen des EEG sind eine garantierte Vergütung für grünen Strom für eine Laufzeit von 20 Jahren und die vorrangige Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien ins Netz. Mit dem EEG ist seit der Novellierung von 2008 auch das Ziel verbunden, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der gesamten deutschen Stromversorgung bis ins Jahr 2020 auf mindestens 35 Prozent zu erhöhen. Ab 2009 gab es aufgrund sinkender Preise für Solarmodule einen regelrechten Solarboom, der auch bei Green City Energy zu einer rasanten Entwicklung geführt hat. Martin Betzold erzählt, dass sie seitdem ihre Belegschaft vervierfacht hätten.
Die besten Jahre für die Photovoltaik aber sind wohl vorbei. Aufgrund der gesunkenen Preise für Solarmodule wurden die Vergütungssätze pro kWh stärker und schneller abgesenkt als ursprünglich geplant. Rund zwei Monate vor unserem Besuch bei dem Münchner Energiedienstleister, der seit letztem Jahr zu den Kreditkunden der Triodos Bank gehört, hatte die Bundesregierung eine weitere drastische Kürzung der Solarförderung beschlossen. Doch der Bundesrat hat nun gegen diese Kürzung gestimmt und den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern damit beauftragt, das Gesetz zu überarbeiten. Bis geklärt ist, ob das Vermittlungsverfahren einen Kompromiss findet, herrscht Unsicherheit. Mittlerweile betragen die sogenannten Gestehungskosten für Solarstrom aus Großanlagen laut Betzold nur noch rund 16 ct/kWh. Das sind Kosten, die bei der Umwandlung der Sonnenenergie in elektrischen Strom anfallen. Sollte die zukünftige Solarstromvergütung aber unter 16 ct/kWh liegen, wird der Bau von neuen PV-Anlagen in der zweiten Jahreshälfte 2012 unrentabel werden.
Die Triodos Bank finanziert das zweitgrößte PV-Projekt von Green City Energy
So gehören die beiden Sonnenkraftwerke Reichardtswerben und Wachstedt, für die die Triodos Bank das Fremdkapital beigesteuert hat, zu den Photovoltaikanlagen, die noch von auskömmlichen Vergütungssätzen profitieren. Beide Anlagen liegen in sonnenreichen Gebieten Ostdeutschlands mit überdurchschnittlich guten Einstrahlungswerten. Das mithilfe der Triodos Bank von Green City Energy in der Nähe von Leipzig gebaute Sonnenkraftwerk auf 20 Hektar in Reichardtswerben ist das zweitgrößte PV-Projekt in der Geschichte des Unternehmens. Damit sich die Anlage optisch in das Landschaftsbild einfügt, hat Green City Energy um den Zaun eine Hecke gepflanzt, die Tieren und Insekten einen Lebensraum bietet. Unter dem Zaun selbst können Kleinsäuger durchschlüpfen, sodass auch das gesamte PV-Gelände von den Tieren genutzt werden kann. Mit der Anlage, die seit Ende Dezember 2011 am Netz ist, können 3.000 Haushalte mit Strom versorgt werden, was einer Einsparung von 5.300 Tonnen klimaschädlichem Kohlendioxid entspricht.
Sinnvolle Nutzung eines Militärgeländes
Das andere von der Triodos Bank finanzierte Sonnenkraftwerk liegt in Wachstedt in Nordthüringen. Mit der Anlage wird ein seit 20 Jahren brachliegendes ehemaliges Militärgelände in zweifacher Weise ökologisch und nachhaltig sinnvoll umgenutzt. Nicht nur sauberer Strom kann jetzt gewonnen werden; für den Bau der PV-Anlage wurde auch die Flächenversiegelung entfernt, und ein auf dem Gelände liegender Teich konnte nach der Reinigung als Biotop erhalten werden. Das Kraftwerk ist seit Anfang des Jahres aktiv und speist Strom für 1.500 Haushalte in das öffentliche Stromnetz ein. Damit können rund 2.568 Tonnen Kohlendioxidemissionen vermieden werden.
Energiewende in Bürgerhand
Die Anlage in Wachstedt gehört zum 17. Bürger-Solarpark, den Green City Energy initiiert und mithilfe von Anlegerinnen und Anlegern aufgebaut hat. “So werden aus Energieverbrauchern Energieerzeuger und Energieanlagenbesitzer”, sagt Betzold. Diese Form der Bürgerbeteiligung ist eng mit der Vision von Green City Energy verknüpft. Den Energy-Machern geht es nämlich nicht nur darum, aus welcher Quelle die Energie stammt, sondern auch um die Besitzstrukturen, die hinter einer Anlage stehen. Während die großen, herkömmlichen Kraftwerke primär in der Hand der großen konventionellen Energieversorger sind, gibt es bei den Erneuerbaren Energien eine Demokratisierung der Energieversorgung in zweifacher Hinsicht: Erneuerbare-Energie-Anlagen sind in der Regel regional verankert und dezentral in ihrer Erzeugungsstruktur. Und durch das EEG wurde es möglich, dass viele Bürger in diese Anlagen investieren konnten. “Genau so stellen wir uns die Energieversorgung zukünftig in Deutschland vor!”, betont Betzold. Mit jedem Kraftwerk, das sie bauen, treiben sie die Demokratisierung der Besitzstrukturen voran.
Bundesregierung bremst Dezentralisierung aus
Die regenerativen Energiequellen haben sich zu einer ernsthaften Alternative zu Kohle und Atomkraft entwickelt, die aber nicht von den großen Konzernen kontrolliert wird. Den heutigen Anteil von 20 Prozent Erneuerbarer Energien am Gesamtenergiemarkt, also den aktuellen Status der Energiewende, haben größtenteils die Bürger finanziert, und erst in den letzten Jahren sind mit größer werdenden Anlagen auch mehr und mehr institutionelle Investoren, Stadtwerke und die großen konventionellen Energieversorger eingestiegen. Besonders im Windbereich gibt es nur wenige Bürger-Fonds, was sich durch den zukünftigen Ausbau der Offshore-Anlagen noch deutlich verstärken wird. “Auch deshalb hebt die Bundesregierung da die Förderung an und möchte sie bei der Solarenergie absenken”, meint Betzold.
Die Bundesregierung habe die dezentralen Strukturen als Gefahr erkannt. Sie wolle keine dezentrale Energieversorgung, sondern eine zentralisierte Energiewende, die von den großen Energiekonzernen und institutionellen Investoren getragen werde.
Er kritisiert auch, dass in der aktuellen politischen Diskussion um die angeblich zu hohen Kosten für die Solarförderung die Ertragsseite und der volkswirtschaftliche Gewinn, zum Beispiel durch die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Senkung des durchschnittlichen Strompreises durch Solarstrom, völlig außer Acht gelassen werden. “Es wird immer gefragt: Was kostet uns das? Die Frage kann aber auch sein: Was möchte ich heute investieren, damit ich morgen eine preisstabile und ressourcenunabhängige Energieversorgung habe? Das ist auch immer eine Betrachtungsweise!”, so Betzold.
Massiver Abbau beim Zubau
Damit neue PV-Anlagen zukünftig noch rentabel gebaut werden können, müssten die Solarmodule, die Kosten für die Unterkonstruktion und die Arbeitszeit billiger werden. Da gibt es nach Aussage von Betzold aber keinen Spielraum mehr. Er rechnet daher damit, dass der bisherige PV-Zubau mit 7,5 Gigawatt pro Jahr auf 2,5 Gigawatt zurückgehen wird. Bereits heute schreiben viele deutsche Solarunternehmen aufgrund des massiven Wettbewerbs in der Solarbranche rote Zahlen. Sollte der Vermittlungsausschuss die Kürzung der Solarförderung nicht deutlich abschwächen, ist zu erwarten, dass die Pleitewelle sich beschleunigen wird.
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren Energien
Aufgrund der Veränderung der Förderbedingungen wird sich Green City Energy zukünftig verstärkt auf Wind- und Wasserprojekte konzentrieren. In den Aufbau des Bereichs Windenergie hat das Unternehmen in den letzten Jahren viel Zeit und Geld investiert. Jetzt macht sich dieses Engagement bezahlt. Noch im Jahr 2012 wird Green City Energy acht Windkraftanlagen bauen und in diesem Zusammenhang auch wieder ein Bürgerbeteiligungsmodell realisieren. Die zukünftigen Aktivitäten im Bereich Wasser führen Green City Energy nach Frankreich, wo das Unternehmen im Schulterschluss mit den Kollegen der Dependance in Toulouse mehrere Kleinwasserkraftwerke erwerben möchte. Das erste Kleinwasserkraftwerk in Lemdes-sur-Allagnon in der Auvergne wurde bereits gekauft, der Emissionsstart des Wasserkraftfonds Frankreich ist am 10. Mai erfolgt.
Daher blickt das Unternehmen optimistisch in die Zukunft. Und Martin Betzold ist sich sicher, dass die Energiewende durch die im Raum stehenden Kürzungen zwar gebremst werden könnte, aber dennoch nicht mehr zu verhindern ist: “Bei Erneuerbaren Energien haben wir keine Inputkosten, im Gegensatz zu Gas, Öl oder Uran. Da steigen überall die Brennstoffkosten. Und Sonne, Wind und Wasser sind umsonst!”
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