Wie ist die Idee einer Suchmaschine, die Bäume pflanzt, entstanden?

Génica Schäfgen: 2009 ging der heutige Geschäftsführer und Gründer Christian Kroll nach seinem Wirtschaftsstudium auf Weltreise. Zum ersten Mal wurde ihm die Ungleichheit der Welt wirklich vor Augen geführt. Und er fragte sich: Lässt sich wirtschaftliches Wachstum von Unternehmen nutzen, um soziale und ökologische Probleme zu lösen? Ihm kam die Idee, es mit Suchmaschinen zu probieren: „Suchmaschinen werden von der ganzen Welt genutzt und Leute verdienen damit jede Menge Geld. Vielleicht könnte man damit auch Geld verdienen, um Probleme, wie den Klimawandel zu lösen?“

Wer mithilfe von Ecosia nach Informationen im Internet sucht, hilft gleichzeitig, Bäume zu pflanzen. Wie funktioniert das genau?

Génica Schäfgen: Ecosia ist erstmal eine Suchmaschine, wie alle anderen Suchmaschinen auch. Wenn ich zum Beispiel ein Hotel in Berlin suchen, dann erscheint mit Sicherheit die Werbung einer internationalen Reiseplattform, über die man Hotels buchen kann. Klicke ich darauf, verdient die Suchmaschine dahinter Geld. So finanzieren sich Google, Bing und auch Ecosia. Der große Unterschied ist, dass unsere Gewinne nicht an Shareholder fließen, sondern in Baumpflanzungen und weitere Klimaschutzprojekte. Mittlerweile wachsen durch unsere Arbeit weltweit über 220 Millionen Bäume. Wir haben noch viel mehr gepflanzt – aber das sind die Bäume, die auch heute noch stehen.

Wonach entscheidet Ecosia, wo Bäume gepflanzt werden?

Das Ecosia-Team

Génica Schäfgen: Wir suchen uns Projektpartner in Gegenden, deren Biodiversität aufgrund des Klimawandels besonders bedroht ist. Das sind aktuell vor allem noch Orte auf der südlichen Halbkugel, wie in Afrika, Lateinamerika oder Südostasien. Doch der Klimawandel kommt immer näher. In Europa ist beispielsweise Spanien stark bedroht, dort haben wir auch Projektpartner. In Italien noch nicht, aber das wäre wahrscheinlich als nächstes dran.

Bäume pflanzen und Klima retten klingt so einfach. Doch es gibt mittlerweile auch einige Kritik an Baumpflanzungen, mit denen beispielsweise CO2-Zertifikate von Unternehmen erworben werden. Was macht Ecosia anders?

Génica Schäfgen: Wir verkaufen keine CO2 Zertifikate. Deswegen geht es uns nicht darum, möglichst schnell wachsende Arten mit hohem CO-Speicherpotenzial zu pflanzen. Stattdessen sind uns ökologische Aspekte wichtig. Wir suchen heimische Arten aus und achten auf eine möglichst große Vielfalt, damit neuer Lebensraum für Tiere entsteht.Dabei arbeiten wir am liebsten mit Projektpartnern zusammen, die aus der Community sind und vor Ort ein Baumpflanzungsprojekt gestartet haben. Denn es ist uns wichtig, dass die Baumpflanzungen immer auch einen Mehrwert für die Menschen vor Ort schaffen. Zum Beispiel pflanzen wir Bäume auf landwirtschaftliche Flächen, die aufgrund von Monokultur und heißem Klima ausgedörrt sind. Dann wachsen Kaffeepflanzen und Bohnen im Schatten von Bäumen. Dieses Prinzip nennt sich Agroforstwirtschaft. Es senkt das Mikroklima und verbessert die Erträge der Landwirte. In anderen Ländern pflanzen wir Bäume entlang eines ehemaligen Flussverlaufs, um das Wasser zurückzubringen.

Um das Vertrauen seiner Nutzer zu gewinnen ist Ecosia außerdem B Corp zertifiziert (B Corp = Benefit Corporation). Was heißt das genau?

Génica Schäfgen Die internationale B-Corp-Zertifizierung möchte nachhaltiges Handeln messbar und transparent machen. Zertifizierte Unternehmen müssen sich vorher einem komplexen und umfangreichen Testverfahren unterziehen. Anhand von über 200 Fragen werden die ökologischen und sozialen Auswirkungen des Unternehmens entlang seiner gesamten Lieferkette und sein soziales Engagement überprüft. Wir waren das erste Unternehmen in Deutschland, das die B-Corp-Zertifizierung erhalten hat. Aber das allein reicht uns nicht.

Warum?

Génica Schäfgen
Mittlerweile haben sich auch Unternehmen wie Nestlé damit zertifizieren lassen. Wir möchten aber klar machen, dass man sich wirklich auf uns verlassen kann. Deswegen haben unsereGesellschafter einen großen Teil ihrer Kapitalrechte und einen kleinen Teil ihrer Stimmrechte an die Purpose Foundation abgegeben. Und im Gesellschaftervertrag ist festgeschrieben, dass Ecosia weder verkauft noch vererbt werden kann. Die Gewinne von Ecosia sind komplett zweckgebunden und können keinem Eigentümer in die Taschen fließen. Das machen wir auch, um uns vor uns selbst zu schützen. Ecosia hatte 2024 einen Jahresumsatz von knapp 35 Millionen, 120 Mitarbeitende und wächst stetig. Was ist, wenn eines Tages jemand ein paar 100 Millionen Euro auf den Tisch legt und uns kaufen möchte? Durch dieses Unternehmensmodell, Verantwortungseigentum genannt, bleiben wir unabhängig.

Suchmaschinen bekommen immer mehr Konkurrenz von Künstlicher Intelligenz.  Wie geht es mit Ecosia in den nächsten Jahren weiter?

Génica Schäfgen:
Wir arbeiten an mehreren spannenden Projekten. Immer mehr Menschen nutzen für ihre Informationssuche KI wie Chat GPT oder Perplexity. Damit müssen wir mithalten können. Deswegen haben wir unseren ersten KI-Chat entwickelt. Außerdem bauen wir gerade mit der französischen Suchmaschine Qwant den ersten europäischen Suchindex. Aktuell benutzen wir noch den Suchindex von Google und Bing. Wenn wir in Europa an Informationen gelangen wollen, sind wir weitestgehend abhängig von den Suchindizes aus den USA, Russland und China. Mit einem europäischen Suchindex können wir langfristig unabhängiger sein.

Ecosia ist auch Kunde bei der Triodos Bank – was dabei Ihre Motivation?

Génica Schäfgen: Wir wollen nicht nur unsere Gewinne sinnvoll verwenden, sondern unsere gesamte Infrastruktur bestmöglich nachhaltig aufsetzen. Zum Beispiel indem wir für unsere Server eigene Energie aus Solaranlagen in Deutschland produzieren oder auf eine nachhaltige betriebliche Altersvorsorge achten. Deswegen ist es uns auch wichtig, wo unser Geld liegt. Dafür wählen wir ausschließlich Banken, die auf höchstem Niveau unseren Werten entsprechen. So sind wir schon viele Jahre Kunde bei der Triodos Bank.