Verseuchte Umwelt, kranke Menschen und unwürdige Arbeitsbedingungen ─ in den Hochglanzbroschüren von multinationalen Unternehmen ist davon nichts zu sehen. Doch keiner kann heute noch ernsthaft sagen, er wisse nichts davon, dass viele Konzerne weltweit in schmutzigen Geschäften involviert sind und hiermit dreckige Profite machen. Denn die Dirty Profits Berichte von Facing Finance öffnen uns die Augen.
Katrin Krämers Stimme ist nach wie vor die Empörung anzuhören. Die Fotografin erzählt von einer Kleinstadt in Namibia, die mitten in der Wüste extra für die Minenarbeiter einer Uranmine der multinationalen Bergbaugesellschaft Rio Tinto gebaut wurde und die komplett uranverseucht ist. „Die Arbeiter müssen einmal im Jahr zu einem medizinischen Test. Die Ergebnisse werden ihnen aber nie mitgeteilt. Wenn absehbar ist, dass sie so verseucht sind, dass sie bald sterben werden, werden sie gefeuert“, so Krämer. So eine organisierte und institutionalisierte Unmenschlichkeit habe sie sich vorher nicht vorstellen können.
Die Gesichter hinter den dirty profits
Die achtundzwanzigjährige Katrin Krämer aus Berlin war 2013 zusammen mit den Journalistinnen Ilham Rawoot und Victoria Schneider zwei Monate in Tansania, Mosambik und Namibia unterwegs. Das Team hatte es sich im Auftrag von Facing Finance zum Ziel gemacht, den Zahlen und Daten des Dirty Profits II Berichts der Nichtregierungsorganisation ein Gesicht zu geben. Ihre Recherchen erzählen in Wort und Bild die individuellen Geschichten von Menschen, die in den Minen und Gasfeldern Afrikas arbeiten oder in deren Gebieten leben. Sie zeigen die zerstörerischen sozialen und ökologischen Auswirkungen des Rohstoffabbaus durch multinationale Unternehmen ─ wie Barrick Gold, Anglo Gold Ashanti oder Petra Diamonds ─ in ihrer ganzen humanen Tragik. Möglich wurde die Reise auch durch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), die die Dirty Profits Berichte finanziell unterstützt. Das Engagement der FES zielt u.a. auf die Etablierung von Rahmenbedingungen für ein zukunftsfähiges, soziales und nachhaltiges Wirtschaft weltweit.
Multinationale Unternehmen agieren steuerfrei, rechtsfrei und straffrei
Facing Finance hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verstöße von multinationalen Unternehmen gegen internationale Normen und Standards offen zu legen. Wer sich auf den Websites, in Hochglanzbroschüren und Nachhaltigkeitsberichten von global agierenden Unternehmen umschaut, findet viele vollmundige Bekenntnisse zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt. In der Realität sieht es häufig anders aus. Zum Tagesgeschäft vieler Unternehmen gehören Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung, Korruption und massive Umweltzerstörung; steuerfrei, rechtsfrei und straffrei ─ wie Facing Finance anlässlich der Veröffentlichung ihres zweiten Dirty Profits Berichts im Dezember 2013 betonte. „Ein nicht geringer Teil der Profite multinationaler Unternehmen wird offensichtlich nach wie vor auf schmutzige Art und Weise und immer noch zu Lasten von Mensch und Umwelt verdient“, so Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand und Initiator von Facing Finance.
Großbanken haben maßgeblich ihre Finger im Spiel
Auch die europäischen Finanzinstitute – und damit leider unwissentlich ihre Kunden – sind in diese unrühmlichen Aktivitäten involviert. Mit ihren Finanzierungen von multinationalen Unternehmen und bei Investitionen in diese Unternehmen unterstützen die Banken weltweit Zwangsumsiedlungen, Kinderarbeit, Regenwaldrodung und Wasserverseuchung. Im Gegensatz zu Nachhaltigkeitsbanken wie der Triodos Bank überprüfen herkömmliche Banken die Projekte, die sie finanzieren bzw. in die sie investieren, nicht ausreichend auf soziale und/oder ökologische Verträglichkeit. Dirty Profits II hat 19 europäische Finanzhäuser unter die Lupe genommen, die von 2011 bis 2013 insgesamt 33 Mrd. Euro Kapital für 26 Unternehmen zur Verfügung stellten. Die in dem Bericht ebenfalls analysierten Unternehmen kommen u.a. aus den Bereichen Bergbau und Rüstung. Sie setzten allein in 2012 mehr als 1,24 Billionen Euro um und erzielten damit einen Nettogewinn in Höhe von 90 Mrd. Euro. Angesichts dieser immensen Summen ist es auch für Katrin Krämer unfassbar, wie ignorant und verantwortungslos die Unternehmen vorgehen: „Ich fand es schockierend, dass diese Unternehmen, die so unendlich viel Geld haben und noch mehr Geld aus dem Boden von den Leuten rausholen, denen er eigentlich gehört, nicht mal in der Lage sind, die Menschen ordentlich umzusiedeln. Die Leute werden bei Nacht und Nebel weggekarrt, mit Waffengewalt bedroht und leben danach in noch prekäreren Umständen als zuvor.“
Unerwünschte Besucher
Hinter den unglaublichen Summen und vielen Fakten, die Dirty Profits II aufzeigt, stehen die Geschichten von unzähligen Menschen weltweit. Einige dieser Menschen lernten Katrin Krämer und ihre Kolleginnen mit Hilfe von lokalen NGOs bei ihrer Afrika-Reise kennen. Krämer hat diese Menschen mit der Kamera portraitiert und gewährt so einen Einblick in das Schicksal derer, die in Afrika mit einer der zahlreichen Minen leben und überleben müssen, die den Hunger der westlichen Welt nach Rohstoffen stillen. Offiziell war die Reise nicht als Recherche bei den Behörden der betroffenen Länder angemeldet. Das wäre zu gefährlich gewesen für das junge Team, das stattdessen unverfänglich mit Touristenvisa reiste und sich als Studentengruppe ausgab. Nur einmal kam es zu einer wirklich brenzligen Situation. „Wir sind zu weit gegangen, als wir einen Bürgermeister von einer Stadt, die neben einer Goldmine liegt, interviewen wollten“, so Krämer. Aufgrund von „Landgrabbing“ hausen dort viele Menschen am Stadtrand; darüber wollten sie mit dem Bürgermeister sprechen. Als sie auf ihn warteten, wurden sie vom tansanischen Grenzschutz festgenommen und drei Stunden festgehalten. Mit Hilfe einer Menschenrechts-NGO und aufgrund ihrer Beteuerungen, dass sie nur Studenten seien, kamen sie wieder frei, mussten aber am nächsten Tag die Stadt verlassen.
Banken wollen nicht konfrontiert werden
Die Bilder von Katrin Krämer sind nicht nur im Dirty Profits II Bericht zu finden. Sie können auch im Rahmen von Veranstaltungen angesehen werden, die Facing Finance und die FES bereits an verschiedenen Standorten gemacht haben. „Mit der Podiumsdiskussion und der Ausstellung möchten wir auch den kleinen Aktionären die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen führen und sie aufklären“, so Stefan Pantekoek vom Referat Globale Politik und Entwicklung der FES. Denn viele Kunden von Finanzdienstleistern seien beispielsweise im Besitz von staatlich geförderten „Riesterprodukten“, die Nachhaltigkeitsstandards nicht einhalten. Weitere Orte und Termine für die Veranstaltungen werden zu gegebenem Zeitpunkt auf der Website von Facing Finance bekannt gegeben. Zu den bisherigen Ausstellungseröffnungen in Berlin im April und in Frankfurt am Main im Oktober dieses Jahres hat Thomas Küchenmeister jeweils auch die betroffenen Banken eingeladen. Keine ist gekommen. „Damit zeigen sie auch, dass sie offensichtlich nicht bereit sind, sich der Verantwortung für ihre Geschäftstätigkeiten zu stellen. Das zeigt mir aber gleichzeitig, dass wir genau richtig mit dem liegen, was wir machen. Wir müssen noch mehr Druck aufbauen auf die Banken, bis sie wirklich ihre Verantwortung annehmen und das auch zu einem wirklichen Bestandteil ihrer täglichen Investmententscheidungen machen“, so Küchenmeister. Als Triodos Bank waren wir jedoch der Einladung von Facing Finance und der Friedrich-Ebert-Stiftung gefolgt, um im Rahmen der jeweiligen Podiumsdiskussionen ein Zeichen für mehr Verantwortung in der Finanzbranche zu setzen.
Titelbild oben links: In der Nacht vom 31. Juli 2007 verlor Anastasia Emanuel ihr Haus, ihre Felder, ihre Lebensgrundlage – und ihre Lebensfreude. Ihr Dorf war dem südafrikanischen Goldunternehmen AngloGold Ashanti bei der Expansion seiner gewaltigen Geita Goldmine im Weg, und AngloGold kaufte kurzerhand das betreffende Stück Land von der Regierung Tansanias.
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