1998 reiste der 18-jährige Izumo für ein Praktikum nach Bangladesch. Er packte eine große Tüte mit Riegeln ein, denn er erwartete viele hungrige Kinder. Doch zu seiner Überraschung gab es kaum Hunger: Reis war reichlich vorhanden. Was fehlte, waren Gemüse, Obst und Eiweißquellen, die für Kinder wichtige Bausteine wie Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Izumo kehrte mit einer klaren Mission nach Japan zurück: Er wollte dieses Problem lösen.
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Er wechselte vom Kunststudium zu einer landwirtschaftlichen Ausbildung. So nützlich diese auch war, sie lehrte ihn nicht, wie man frische Lebensmittel ohne Nährstoffverlust nach Bangladesch bringt. Sein Kommilitone Suzuki hatte die Lösung. Als Izumo ihm von seiner Mission erzählte, kam Suzuki auf die Idee, die nährstoffreiche Mikroalge Euglena zu verwenden. Aber wie kann man die nützlichen Eigenschaften dieser Alge extrahieren und sie in ein schmackhaftes, lang haltbares Nahrungsmittel verwandeln? Das war der Beginn einer einzigartigen Herausforderung: die Massenproduktion und Verarbeitung von Euglena.
Was ist Euglena?
Die Mikroalge Euglena war vor etwa 500 Millionen Jahren eine der ersten Lebensformen auf der Erde. Sie wurde um 1660 von dem Niederländer Antoni van Leeuwenhoek entdeckt. Sie gehört zur Familie der Kelp- und Wakame-Algen, ist grün und etwa 0,05 bis 0,1 Millimeter groß. Euglena lebt in Süß- und Salzwasser und hat sowohl pflanzliche als auch tierische Merkmale. Sie nutzt die Photosynthese, um im Sonnenlicht zu wachsen, kann aber auch ohne Sonnenlicht überleben. In diesem Fall "frisst" die Alge pflanzliches oder tierisches Material oder Partikel, die von anderen Mikroorganismen stammen.
Mitsuru Izumo und sein Partner Suzuki haben sich für Euglena entschieden, weil es 59 Nährstoffe enthält: von Vitaminen und Mineralien über gesunde ungesättigte Fette bis hin zu allen neun essentiellen Aminosäuren, die der Mensch braucht. Sie kann vom Körper leicht aufgenommen werden, da Euglena selbst keine Zellwand hat, die die Aufnahme in den Körper verhindert.
Nach intensiver Forschung gelang es ihnen im Dezember 2005, als erste weltweit, Euglena (mit dem MSC-Siegel) im großen Stil im Freiland anzubauen: die Geburtsstunde des Unternehmens Euglena. Einige Jahre später, 2014, konnten Wissenschaftler des japanischen Unternehmens Euglena-Pulver zu nahrhaften Keksen verarbeiten.
Zurück nach Bangladesch, wo Izumo das Genki-Projekt ins Leben gerufen hat: Genki bedeutet auf Japanisch "alles läuft gut". Das Projekt verteilt kostenlose Lunchboxen in abgelegenen Gebieten Bangladeschs, in denen Mangelernährung ein großes Problem ist. Jede Lunch Box enthält sechs Kekse. Durch den Verzehr dieser Kekse erhalten die Kinder alle wichtigen Nährstoffe, die sie für einen Tag benötigen. Rund 15 Millionen Lunchboxen wurden bereits verteilt.
Hilfe für Bauer:innen
Mit seinem Herz für Bangladesch, sah Izumo ein weiteres großes Problem. Trotz des großen landwirtschaftlichen Potenzials gab es viel Armut und Arbeitslosigkeit unter den Bauern. Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen für die Bäuer:innen gab es auch einen großen Bedarf an nahrhaften Lebensmitteln für die Menschen in Bangladesch. Izumo wusste, dass die Mungbohne (eine nahrhafte Bohne, die zu Bohnensprossen heranwächst und die Grundlage für Gerichte wie Dahl-Suppe bildet) eine beliebte Zutat in der japanischen Küche ist. China ist der größte Produzent dieser Bohne, aber die Importe waren für Japan und Bangladesch zu teuer geworden.
Dies veranlasste Izumo, in Zusammenarbeit mit der Grameen Foundation ein zweites Projekt in Bangladesch zu starten: das Mungbohnen-Projekt. Sein Unternehmen unterstützt die Bauer:innen vor Ort finanziell und mit landwirtschaftlicher Technologie, damit sie qualitativ hochwertige Bohnen anbauen können. Die Hälfte der Bohnen wird zu einem höheren (marktgerechten) Preis nach Japan exportiert. So wird sichergestellt, dass die Bauer:innen in Bangladesch einen fairen Preis für ihre Ernte erhalten und die Bohnen für die Menschen in Bangladesch bezahlbar bleiben.
Von Hautpflege bis Biokraftstoff
Die Vielseitigkeit der Euglena-Alge ist der Grund dafür, dass so großartige Initiativen gestartet werden können. Henk Jonker, Head of Research bei Triodos Investment Management, erklärt: "Bei allen Tests und Forschungen mit der Alge wurden viele weitere positive Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten entdeckt. Das Unternehmen begann mit der Herstellung nahrhafter Hautpflegeprodukte. Mit großem Erfolg: Heute ist Euglena das fünftgrößte Kosmetikunternehmen Japans. Euglena verwendet einen Teil des Gewinns aus dieser Produktgruppe, um die nahrhaften Kekse kostenlos an Kinder in Bangladesch zu verschenken".
Wissenschaftler:innen entdeckten, dass bei der Herstellung von Euglena-Pulver (das in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wird) ein Ölrückstand entsteht. Dieses Öl erwies sich als geeignet für Biokraftstoffe. Henk: "Während der Olympischen Spiele sorgte Euglena für einen CO2-neutralen Transport, und in Tokio fahren jetzt 80 Stadtbusse mit diesem Biokraftstoff. Sie arbeiten auch an pflanzlichem Dünger, Biokunststoffen und umweltfreundlichem Hühnerfutter.
Henk erklärt, was diese scheinbar unterschiedlichen Anwendungen gemeinsam haben. "Das Motto von Euglena lautet 'Nachhaltigkeit an erster Stelle'. Die Bewältigung der Nahrungsmittelkrise, die Herstellung gesunder Hautpflegeprodukte mit so wenig Zusatzstoffen wie möglich und die Entwicklung von Biokraftstoffen lassen sich perfekt in der Mission von Euglena zusammenfassen: 'Machen Sie die Menschen und die Erde gesund'."
Die Kinder haben das Sagen
Auch das Management sei einzigartig, sagt Henk. "In den meisten Unternehmen steht die Abkürzung CFO für Chief Financial Officer. Bei Euglena hat es eine andere, besondere Bedeutung. Euglena-Gründer Mitsuru Izumo erklärt: "Wir wollen mit unseren Produkten zur Lösung von Klima- und Gesundheitsproblemen beitragen. Unser Ziel ist es, eine bessere Zukunft zu schaffen. Als ich mit Jugendlichen über Euglena sprach, wurde mir klar, dass in unserem derzeitigen Managementteam etwas fehlte - die Stimme derer, die in dieser Zukunft leben werden". So wurde bei Euglena die neue Position des Chief Future Officer (CFO) geschaffen, die sich speziell an junge und ehrgeizige japanische Talente unter 18 Jahren richtet. Der CFO wird von zehn weiteren jungen Menschen unter 18 Jahren unterstützt.
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Henk sagt: "Diese Nachwuchskräfte sind nicht nur zur Show da: Sie nehmen an Aktionärsversammlungen teil, halten Reden und Präsentationen und - was am wichtigsten ist - sie haben Ideen, wie Euglena besser funktionieren könnte. Die erste CFO, die 17-jährige Kyoko Ozawa, und ihr Team wollten eine Lösung für die Verwendung von PET-Flaschen und anderen Kunststoffen finden. Und dieser Wunsch wurde gehört: Die Entwicklung von Biokunststoffen aus Euglena und ihren Abfallprodukten ist in vollem Gange. Erste Testergebnisse zeigen, dass Biokunststoffe stabiler sind als Kunststoffe aus Erdöl und weniger schädlich für die Natur.
Jedes Jahr wird ein:e neue:r junge:r CFO ernannt. Henk: "Kyokos Nachfolger, Rena Kawasaki, hatte die Idee, die Teiche, in denen Euglena angebaut wird, komplett mit erneuerbarer Energie zu betreiben. Die ehrgeizige Jugendliche hat ihren Posten als CFO inzwischen an den Dritten übergeben, aber sie kämpft weiter für eine bessere Welt. Letztes Jahr wurde sie in Den Haag mit dem internationalen Kinderfriedenspreis ausgezeichnet.
Unendliche Möglichkeiten für Euglena
Henk lobt die Innovationskraft von Euglena. "Wir bei Triodos Investment Management sehen das Potenzial dieses einzigartigen Produkts und dieses bemerkenswerten Unternehmens. Sie nutzen ihre Gewinne, um anderen Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Sie arbeiten ständig daran, neue Einsatzmöglichkeiten zu finden. Eine weitere besondere Eigenschaft von Euglena ist, dass es die Erneuerung von Hautgewebe stimuliert. Eine Wundheilungscreme ist in Entwicklung. Die Möglichkeiten scheinen unbegrenzt.
Laut Henk besteht die Herausforderung darin, die Rentabilität aufrechtzuerhalten. Da es sich um einen neuen Inhaltsstoff handelt, würde viel Zeit und Geld in Forschung, Tests und die Erlangung bestimmter Zertifizierungen investiert, um sowohl den Behörden als auch den Verbrauchern zu beweisen, dass es sich um ein natürliches und nützliches Produkt handeln würde, das halte , was es verspricht. "Glücklicherweise erwirtschaftet die Kosmetiksparte unsers Unternehmens genug Gewinn, um auch in anderen Bereichen weiter zu wachsen.”
Biokraftstoff für 1 USD pro Liter
Eine weitere Herausforderung sieht Henk in der Ausweitung der Euglena-Produktion. "In Japan kann man nicht überall große Teiche anlegen. Deshalb schaut Euglena auf Länder wie Malaysia und Indonesien. Diese Länder liegen näher am Äquator, haben also mehr Sonnenstunden, und die Kosten für Personal und Land sind dort viel niedriger als in Japan".
Im Moment wird der Biokraftstoff von Euglena mit gebrauchtem Frittierfett und Speiseöl gemischt, das von Restaurants gesammelt wird. Wenn die Produktion steigt, wird das Mischen überflüssig. Und der Gestehungspreis (Kosten, die für die Produktion eines Wirtschaftsgutes anfallen) kann sinken. "Die Nachfrage nach Biokraftstoff ist groß", betont Henk. "Es gibt bereits Testflüge bei zwei japanischen Fluggesellschaften. Auch die Zusammenarbeit mit den Autoherstellern Mazda und Isuzu läuft. Das Ziel von Euglena? Biokraftstoff zu einem Preis von einem Dollar pro Liter, so viel wie der heutige fossile Kraftstoff kostet. Wenn alles gut geht, wäre es somit eine einfache Entscheidung für viele weitere Autohersteller und Fluggesellschaften".
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