Vermögen ist nicht gleich Vermögen. 2018 beträgt das durchschnittliche Nettogeldvermögen pro Nase in Deutschland 52.860 Euro. Diesen Betrag hat die „Allianz“ in einer Studie errechnet, ein besseres Bild der Realität liefert aber der Median. Die Bevölkerung wird aufsteigend sortiert - vom ärmsten, überschuldeten Schlucker bis zum vielfachen Milliardär. Genau in der Mitte dieser Reihe liegt das Median-Vermögen. Generell gilt: Gibt es eine große Differenz zwischen diesem Wert und dem durchschnittlichen Einkommen, ziehen offenbar wenige Großvermögen den Durchschnittswert nach oben. Ein sicheres Zeichen, dass eine starke Ungleichverteilung vorliegt. Was heißt das konkret? In Deutschland hat die Hälfte der Bevölkerung höchstens 16.800 Euro auf der hohen Kante, womit das Medianvermögen deutlich unter dem durchschnittlichen Nettogeldvermögen von 52.860 Euro liegt.
Wie ungleich Vermögen in Deutschland verteilt sind, zeigt eine weitere aktuelle Untersuchung: Das „Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung“ (DIW Berlin) zeichnete 2020 ein präzises Bild des Reichtums in Deutschland. „Die Konzentration der individuellen Nettovermögen in Deutschland ist höher als bislang ausgewiesen“, so das DIW. Aus der Analyse der Wissenschaftler geht hervor:
- Die obersten zehn Prozent verfügen über 67 Prozent des Nettovermögens (vorher wurde der Anteil auf 59 Prozent geschätzt).
- Die unteren 90 Prozent kommen auf 33 Prozent des Nettovermögens.
Dabei lassen sich die obersten 10 Prozent weiter aufschlüsseln: Das eine, reichste Prozent der Bevölkerung hat Zugriff auf rund 35 Prozent des Vermögens (vorher gingen Schätzungen von knapp 22 Prozent aus). Und: Die übrigen 9 Prozent besitzen 32 Prozent.
Wer dann die Gesellschaft in zwei Hälften aufteilt, kommt für das Gesamtvermögen zu dem Ergebnis:
- In der oberen Hälfte besitzen 50 Prozent rund 98,6 Prozent.
- In der unteren Hälfte besitzen 50 Prozent rund 1,4 Prozent.
"Deutschlands ohnehin schon hohe Vermögensungleichheit wurde bisher deutlich unterschätzt", so das Fazit von Johannes König vom DIW gegenüber der „ZEIT“.
Lassen sich schon Effekte der Corona-Krise feststellen? Ja, wie 2020 ein neuer Verteilungsbericht zeigt, den das „Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut“ (WSI) der „Hans-Böckler-Stiftung“ vorlegte. Dabei rückte die Entwicklung der Einkommen in den Fokus. Die Wissenschaftler warfen erst einen Blick in die Vergangenheit: Verglichen mit den 1990er Jahren, sind die Einkommen im Moment viel ungleicher verteilt. Der Grund: Zu Beginn der 2000er Jahre stiegen die höheren Einkommen stark, während die Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen abgehängt wurden.
Im November 2020 stellt das WSI fest: „Im bisherigen Verlauf der Corona-Krise hat sich der Rückstand der niedrigen Einkommen […] verschärft.“ Der Trend: Je niedriger das Einkommen vor der Krise gewesen ist, desto häufiger haben Befragte in der Pandemie Einkommen verloren. „Zudem steigt mit abnehmender Einkommenshöhe der Anteil, um den sich das Einkommen reduziert hat: Wer weniger hatte, hat also relativ auch noch besonders viel verloren“, so die Wissenschaftler.
Das bedeutet in Zahlen: Bis Juni 2020 hatten rund 32 Prozent der Befragten sinkende Einkommen hinzunehmen. Wenn das Haushaltseinkommen im Monat unter 1.500 Euro netto lag, waren über 40 Prozent Einbußen zu verkraften. Wer aber über 4.500 Euro netto verdiente, kam viel weniger in Schwierigkeiten, weil die Einnahmen lediglich um 26 Prozent zurückgingen.
Einmalige Vermögensabgabe brächte 338 Milliarden Euro
„Es ist Zeit, dass sich die obersten Ein-Prozent fragen, was sie für dieses Land tun können, und nicht immer nur fragen, was dieses Land für sie tun kann“, sagt Fabio de Masi, Fraktionsvize der „Linken“ im Bundestag. Seine Partei hatte beim DIW eine Studie in Auftrag gegeben. Titel: „Vermögensabgabe DIE LINKE. Aufkommen und Verteilungswirkungen“. DIW-Autor Stefan Bach schreibt: „Das Aufkommen soll dazu beitragen, die finanziellen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Corona-Wirtschaftskrise zu finanzieren“.
Mit einer einmaligen Vermögensabgabe ließen sich 338 Milliarden Euro erzielen; Grundlage wäre das individuelle Nettovermögen natürlicher Personen, also die Differenz aus Vermögenswerten und Verbindlichkeiten. Zum Vergleich: 2020 nahm Bundesfinanzminister Olaf Scholz 130,5 Milliarden Euro Schulden auf, 2021 werden es 240,2 Milliarden sein – und für 2022 plant er 60,4 Milliarden Euro. Unterm Strich: 431,1 Milliarden Euro! Warum müssen diese Lasten künftige Steuerzahler tragen?
Eine einmalige Vermögensabgabe in der Gegenwart wäre eine bessere Lösung, zumal sich in Deutschland viel Geld in wenigen Händen konzentriert. Armut wird den „oberen Zehntausend“ nicht drohen: „Für Unternehmensvermögen ist ein gesonderter Freibetrag in Höhe von 2 oder 5 Millionen Euro vorgesehen“, erläutert Bach. „Ferner soll ein persönlicher Freibetrag von 1 oder 2 Millionen Euro vom abgabepflichtigen Vermögen abgezogen werden.“
Der Tarif für die Abgabe könnte progressiv gestaltet sein: „Er beginnt“, so der DIW-Ökonom, „mit 10 Prozent und steigt mit höheren abgabepflichtigen Vermögen bis auf 30 Prozent.“ Der „Spitzen-Abgabesatz“ würde erst bei einem Vermögen von 30 Millionen Euro greifen, auch Varianten mit 50 Millionen Euro oder 100 Millionen Euro werden geprüft.
De Masi sagte dazu: „Milliardäre und Multi-Millionäre wie die Quandts und Klattens“ hätten in den Monaten der Krise „eine Corona-Party in Deutschland gefeiert“ und „hunderte Millionen Euro Dividende aus BMW-Aktien gezogen“. Die Zahl ist nicht aus der Luft gegriffen: Stefan Quandt hält 25,8 Prozent der Anteile an BMW und kassierte im Mai 2020 eine märchenhafte Dividende: 425 Millionen Euro. Seine Schwester, Susanne Klatten, erhielt 344 Millionen Euro. Sie besitzt am bayerischen Autobauer einen Aktienanteil von 20,9 Prozent
Jetzt wird oft eingewendet: Viele reiche Menschen seien Philantropen, sie gründeten Stiftungen und gäben so der Gesellschaft etwas von ihrem Reichtum zurück … Zum Beispiel finanzierte der SAP-Mitgründer Hasso Plattner eine ganze Bibliothek - für die Mannheimer Universität ein Geschenk im Wert von 10 Millionen Euro. Doch Rob Reich schütte reichlich Wasser in den Wein der Freigebigkeit. Er ist Professor für Politikwissenschaft, lehrt an der Stanford University/USA und schreibt glasklar:
„Philanthropie in großem Ausmaß stellt oft eine Ausübung von Macht dar, und zwar durch die Umwandlung von Privatvermögen in öffentlichen Einfluss. Eine Form der Macht, die weitgehend nicht zur Verantwortung gezogen wird. Oft besteht sie eine lange Zeit – und es lassen sich viele Steuern sparen, in einer für den Staat verschwenderischen Weise. Die Wohlhabenden und ihre Stiftungen profitieren enorm, selbst wenn sie die Politik ohne Rechenschaftspflicht beeinflussen.“
Vor diesem Hintergrund führt wohl kein Weg an einer Vermögensabgabe vorbei – sie ist auch ein Instrument, um durch bewusste Umverteilung die Demokratie zu stärken.
Vielen Dank für den Kommentar!
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