Nach dem ESG-Backlash werden Gleichstellung, Vielfalt und Inklusion (EDI) zunehmend als Teil einer „woken Agenda“ oder als „nice to have“ angesehen. Als Investmentprofis sollten wir uns jedoch vor Augen halten, dass unabhängig davon, ob wir EDI als „woke“ betrachten oder nicht, das Maß an Inklusivität in unserem eigenen Unternehmen sowie bei den Unternehmen in unserem Portfolio die Geschäftsergebnisse und letztlich auch die Investitionsrenditen direkt beeinflusst.
Immer wieder belegen Studien wie wertvoll es ist, unterschiedlichen Sichtweisen in Entscheidungsprozessen Gewicht zu verleihen. Das muss nicht mehr diskutiert werden; es ist längst bewiesen.
Nicht-inklusive Entscheidungsfindung ist riskant
Forschungsergebnisse zeigen, dass Diversität nicht automatisch zu Inklusion führt. Wir sollten davon alarmiert sein. Wenn Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund nicht ermutigt werden, ihre Meinung zu äußern, setzt sich stillschweigend die Mehrheitsmeinung durch. Kritik wird erstickt und neue Ideen gehen verloren. Das hat dreifache Auswirkungen. Erstens, weil der Mehrheitsmeinung zu folgen zu unausgereiften und risikobehafteten Ideen führt. Zweitens, weil die Mehrheitsmeinung so stark ist, dass niemand das Problem hinterfragt oder überhaupt erkennt, während es sich entwickelt. Drittens, weil die Diversität der Gruppe das Problem zusätzlich verschleiert und die Mitglieder für ihre eigene Positionierung blind macht, bis es zu spät ist.
Für Vermögensverwalter:innen ist es äußerst nachteilhaft, wenn unterschiedliche Perspektiven bei Investitionsentscheidungen keine Rolle spielen. Wenn Mitglieder diverser Teams nicht befähigt werden, gegensätzliche Ansichten zu äußern, ist eine solide Entscheidungsfindung gefährdet. Ohne kritisches Denken können in unseren Anlagestrategien gravierende Lücken entstehen. Dem zu folgen, was die Mehrheit für richtig hält, wurde als eine der Hauptursachen der Finanzkrise 2008 genannt, da es eine gefährlich kurzfristige und risikoreiche Kultur ohne sinnvolle Gegenrede förderte. Es kann auch dazu führen, dass Chancen ungenutzt bleiben, weil Vorurteile und Annahmen nicht hinterfragt werden.
Echte Inklusion geht über die vier Wände des Büros hinaus
Die Einbeziehung vielfältiger Stimmen in unsere eigenen Teams ist ein Aspekt, aber das ist noch nicht alles. Für mich geht die Bedeutung von Inklusion weit über die Mitarbeiter:innen und sogar über die Kund:innen hinaus. Wir sind bestrebt, alle Stakeholder:innen, seien es Gruppen aus dem globalen Süden, die Natur oder sogar zukünftige Generationen, in alle unsere Anlagestrategien einzubeziehen.
Zur Veranschaulichung: In unserem Sitzungssaal stehen zwei farbige Stühle: ein grüner und ein roter. Sie erinnern uns daran, dass auch Flora und Fauna Stakeholderinnen unserer Entscheidungen sind. Das veranlasst uns, ihre Interessen bei unserer Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen, denn die Natur, die nicht für sich selbst sprechen kann, verdient eine Stimme in unseren Entscheidungsprozessen.
In den letzten drei Jahrzehnten haben wir als Impact-Investor:innen gelernt, dass wir viel mehr Unterstützung und Akzeptanz für nachhaltige Unternehmen erhalten, wenn sich alle Stakeholder:innen gehört fühlen. Deshalb bevorzugen wir oft genossenschaftliche Geschäftsmodelle. Möglichst viele Menschen von einem Projekt profitieren zu lassen, ist eine der besten Methoden, Risiken zu minimieren.
Inklusives Denken öffnet zudem auf natürliche Weise die Tür für überzeugende neue Produkte. Im März 2022 haben wir beispielsweise unsere „Future Generations“-Strategie zur Unterstützung von UNICEF aufgelegt, die bereits fast 100 Millionen Euro von Investoren angezogen hat. Unsere Kund:innen schätzen es sehr, dass wir Investitionen auch aus der Perspektive von Kindern betrachten und die Interessen ihrer Kinder und Enkelkinder in den Anlageprozess einbeziehen.
Für Investmentmanager:innen ist es einfach, Fallstricke zu vermeiden und von Innovationen zu profitieren:
Vielfältige Meinungen führen zu besseren Entscheidungen
Ich sage nicht, dass wir anstrengende Sitzungen mit zu vielen Teilnehmenden abhalten und stundenlang diskutieren sollten. Ganz und gar nicht. Ich persönlich habe bei komplexen Entscheidungen am liebsten vier oder fünf Personen im Raum. Aber ich sage, dass wir es zur Normalität machen müssen, allen Standpunkten äußerst aufmerksam zuzuhören und Meinungen aus möglichst vielen verschiedenen Lebensbereichen einzuholen.
Es gibt so viele Möglichkeiten, die vielfältigen Stimmen in unserer Branche zu hören. Wir müssen nur neugierig bleiben, was andere denken oder erleben. Bei Triodos organisieren wir Mentoring-Programme, gemeinsame Mittagessen, Ausflüge und mehr, um ein umfassenderes Bild der verschiedenen Sichtweisen in unserem diversen Unternehmen zu bekommen. Es ist erstaunlich, wie ein lockerer Kaffee mit einer Gen-Z, ein Spaziergang mit einer Großmutter oder ein Gespräch mit jemandem aus einem anderen Land die Entscheidungsfindung verbessern kann. Ohne ein sicheres Umfeld werden Mitarbeitende keine wertvolle Kritik äußern. Deshalb müssen wir täglich Vertrauen aufbauen.
Indem wir die Ansichten vieler einbeziehen, erweitern wir unser Risikoverständnis, sodass es die heutige Realität besser widerspiegelt. Niemand weiß alles, also müssen wir für alle Meinungen und Perspektiven offen sein. Auch für jene, mit denen wir nicht übereinstimmen. Die Komplexität der heutigen Welt mit ihren verflochtenen Krisen erfordert komplexe Entscheidungsprozesse. Zahlreiche Studien zeigen kontinuierlich, dass die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven zu besseren Entscheidungen führt. Wahre Führungspersönlichkeiten sind von Natur aus inklusiv und offen für alle Standpunkte. Sonst sind sie keine Führungspersönlichkeiten.
Diese Kolumne wurde ursprünglich auf Niederländisch bei IEX Profs veröffentlicht.

Vielen Dank für den Kommentar!
Zur Veröffentlichung des Kommentars bitte den Link in der E-Mail anklicken.