Auf nachhaltig.kritisch.de macht ihr jungen und unabhängigen Klimajournalismus. Wann und wie kam es zu der Idee, das Portal zu gründen?

Die Idee für nachhaltig.kritisch ist 2018 im Masterstudiengang „Multimedia und Autorschaft“ an der Martin-Luther-Universität Halle (Saale) entstanden. Wir sollten damals im Rahmen eines Jahrgangsprojekts ein mediales Angebot zum Thema Zukunft entwickeln. Und weil unsere Zukunft untrennbar mit der Klima- und Biodiversitätskrise verknüpft ist, haben wir damals als Kleingruppe begonnen, ein journalistisches Angebot zu diesen Themen zu konzipieren. Dass wir uns für Instagram als Verbreitungskanal entschieden haben, hatte damit zu tun, dass der Hashtag #nachhaltigkeit damals sehr stark von einer „grünen“, stark ästhetischen Konsum-Bubble geprägt war. Und auch wenn wir noch keine Expert:innen in dem Bereich waren, wussten wird doch, dass Nachhaltigkeit mehr ist als feste Seife und Bambuszahnbürsten. 

Weil es unseres Wissens damals kein deutschsprachiges Medium gab, dass sich ausschließlich mit den unterschiedlichen Facetten der Klimakrise befasst hat, dachten wir uns: Machen wir es doch einfach selbst. Eigentlich haben wir dann nur das Angebot entwickelt, das wir uns selbst auf dieser Plattform gewünscht hätten. Und offenbar nicht nur wir, denn der Kanal hat in kürzester Zeit wirklich viele Leute erreicht. Das lag wahrscheinlich nicht nur an unseren Inhalten und den kreativen Illustrationen. Wir sind auch zu einem Zeitpunkt online gegangen, als „Fridays for Future“ gerade im Begriff war, eine globale Bewegung zu werden und sich viel mehr Leute für das Thema interessiert haben.

Welche Themenbereiche deckt ihr journalistisch ab?

Während wir in unserer Berichterstattung mit eher simplen Aspekten angefangen haben, wie der Frage „Was ist eigentlich nachhaltig bzw. wie nachhaltig ist dies oder jenes?“ bearbeiten wir mittlerweile ein vielfältiges Spektrum an Themen wie Biodiversität, Klimagerechtigkeit oder Klimakrise als Bedrohung. Wie wirkt sie rein physisch, aber auch psychisch auf die Menschen? Zudem versuchen wir, die „Systeme“ in den Bereichen Ernährung, Banken, Wirtschaft zu hinterfragen und zu schauen, was sich dort noch sozialer und nachhaltiger gestalten lässt. Wir richten den Blick beim Thema Klimakrise zum Beispiel auch darauf, welche Rolle die Medien spielen, Stichwort „Wie sprechen wir über Klimakrise?“ - also alles Themen, die irgendwie immer wieder aktuell sind und natürlich auch aktuell bleiben werden.

nachhaltig.kritisch ist als „grünes“ Informationsmedium fest etabliert. Wie hat sich euer Geschäfts- bzw. Finanzierungskonzept entwickelt?

Nachdem das Uni-Projekt vorbei war, haben wir uns entschlossen, in unserer Freizeit mit nachhaltig.kritisch weiterzumachen – abends, am Wochenende, wann immer wir ein paar Stunden Zeit aufbringen konnten.  Damals war das Projekt gar nicht darauf ausgelegt, eine Einkommensquelle zu sein. Aber mit der Zeit ist dann noch eine Webseite und ein Podcast dazugekommen, unsere Followerzahlen sind weitergewachsen, wir haben begonnen, Workshops zu geben und schließlich auch ein Buch zu schreiben. Das war dann der Zeitpunkt, als wir gemerkt haben: nachhaltig.kritisch ist schon längst kein Hobby mehr, das sich in den Feierabend quetschen lässt. Da es uns wichtig war, unsere Inhalte weiter kostenlos zur Verfügung zu stellen und wir gleichzeitig unsere journalistische Unabhängigkeit nicht durch Produktplatzierungen und Sponsored Posts verlieren wollten, haben wir uns für ein freiwilliges Abo-Modell via Steady entschieden. Später haben wir dieses Abo-Modell auch für einige wenige ausgewählte Partner-Organisationen geöffnet, die sich in ihren Branchen für den nachhaltigen Wandel einsetzen.

 

Mit eurem Ansatz versteht ihr euch als Pioniere des modernen Online-Journalismus. Einen eurer Schwerpunkte bildet Instagram, ein Medium, welches in weiten Teilen durchaus kommerzialisiert daherkommt…

Ja, das ist etwas, das wir sehr kritisch reflektieren – manchmal sogar in Beiträgen auf der Plattform selbst. Instagram und der Meta-Konzern stehen für vieles in der Kritik: Von Datensammlung- und weitergabe über fehlende Moderation bis hin zu den undurchsichtigen Algorithmen und deren Einfluss auf das Nutzungsverhalten. Für uns relevant ist auch die Tatsache, dass die Grenze zwischen Journalismus und Werbung auf der Plattform häufig verschwimmt. Du denkst, du liest einen unabhängigen journalistischen Beitrag, bis du irgendwo ganz klein liest: gesponsert von. Gleichzeitig bietet uns Instagram natürlich auch die Möglichkeit, Menschen zu erreichen – und zwar konkret Menschen, die sich für das Thema interessieren. Aktuell überwiegen diese Vorteile für uns noch. Gleichzeitig versuchen wir mit unserer Webseite und unserem Podcast auch, uns Schritt für Schritt unabhängiger von Instagram zu machen.

Auf eurer bisherigen „Reise“ als Klima-Journalisten habt ihr sicherlich schon eine Menge Feedback erhalten… 

Wenn man in Sozialen Netzwerken oder generell in den Medien unterwegs ist, bekommt man - was sehr schön ist - auch viel Rückmeldungen, zum Beispiel über Kommentare oder Likes. Damit kommt unmittelbar zum Ausdruck, was man mit einem Artikelbeitrag oder Post erreicht hat. Was jedoch unterschätzt wird, ist die Wirkung, die auch jenseits des „Sichtbaren“ erzielt wird – und die einem, wenn überhaupt, erst über Umwege widergespiegelt wird.

Könnt ihr einen konkreten Fall nennen?

Eine Schulklasse aus Italien hat uns kontaktiert, weil sie im Deutschunterricht gerade unser Buch gelesen hatte und mit uns darüber sprechen wollte. Also saßen wir eines Nachmittags online zugeschaltet virtuell irgendwo in Rom in der Schule und haben die Fragen der jungen Menschen beantwortet. Ein tolles Erlebnis, weil es uns zeigt, dass unser Buch tatsächlich gelesen wird und wir mit unseren Beiträgen quasi ein kleiner Stein sind, der vielleicht andere kleine Steine ein bisschen ins Rollen bringt. Geschichten wie diese, die man nur am Rande oder zufällig mitbekommt, bewegen uns sehr. Wahrscheinlich kommt so etwas viel öfter vor als wir denken…

Euer Buch trägt den Titel „Miese Krise - alles, was du über den Klimawandel wissen musst. Worum handelt es sich darin?

Die Auswirkungen des Klimawandels werden das Leben auf der ganzen Erde verändern, auch bei uns. Wir gehen in unserem Buch Fragen nach, wie es dazu kommen konnte und was die Zukunft bringt. In 49 kurzen Kapiteln schildern wir alles, was wichtig ist, um die Klimakrise zu verstehen. Wir wollen Anregungen geben und Mut machen, für Veränderung und Zusammenhalt einzustehen. Denn auch wenn es sich oft nicht so anfühlt: Wir alle können Einfluss auf den Ausgang dieser Geschichte nehmen.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft mit Blick auf eure Arbeit für nachhaltig.kritisch?

Dass wir sie irgendwann nicht mehr machen müssen, weil es nicht mehr nötig ist! Aber das ist wohl eher unrealistisch. Bis dahin wollen so viele Menschen wie möglich erreichen und weiter über dieses so wichtige Thema informieren. Wir sehen es als großes Privileg, diese Arbeit machen zu können und ein bisschen dazu beizutragen, einen Unterschied zu machen. Schön wäre es, wenn sich die Politik dem Thema wieder stärker widmen würde. Und, wenn Klimaschutz nicht länger als dieses „nervige“ Thema abgestempelt würde.

Ihr habt aktuell über 40.000 Follower. Das zeigt, wie viele Menschen bereits eure Beiträge lesen und sich mit dem Thema beschäftigen…

Darüber sind wir auch sehr dankbar. Es ist nicht selbstverständlich, sich die Zeit zu nehmen und die Kraft zu haben, sich mit einem so schweren Thema auseinanderzusetzen. Wir freuen uns, dass das so viele Personen trotzdem machen und auch viele andere damit inspirieren. Letztlich sind wir - also diejenigen, denen Klimaschutz am Herzen liegt - nicht alleine, sondern ganz, ganz viele. Auch, wenn es nur langsam vorangeht, ist es umso wichtiger, gemeinsam immer wieder aufs Neue einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen!

Wir danken euch für das Gespräch!