Leonie Laug vor der Regenwassertonne einer Berliner Schule
Leonie Laug arbeitet als Klimaanpassungsmanagerin im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Die Stadtplanerin hat in den letzten zwei Jahren federführend ein Klimaanpassungskonzept für den Bezirk erarbeitet.

Ein für Autos gesperrter Straßenabschnitt in Berlin-Friedrichshain. Die großen Bäume werfen einen angenehmen Schatten. Der Platz scheint beliebt: Eine ältere Dame setzt sich zum Verschnaufen auf eine der Bänke. Ein Mädchen gießt mit einer bunten Gießkanne die Pflanzen in einem der Hochbeete. Hier wachsen heimische Wildstauden, in sattem Grün, leuchtendem Lila oder Knallpink. Neben mir höre ich das sirrende Geräusch eines Springseils. An der Bank gegenüber macht ein Mann Liegestütze.  Inmitten des gemütlichen Treibens sitzt Leonie Laug. Ich treffe sie hier zum Interview. Als Teil des Klimateams war sie auch an der Entwicklung dieser verkehrsberuhigten Zone vor einer Grundschule beteiligt und beriet zum Thema Regenwassernutzung.

Sie sind Klimaanpassungsmanagerin – ein Beruf, den es noch nicht so lange gibt. Was sind Ihre Aufgaben?


Ich arbeite seit zwei Jahren in der neu geschaffenen Stelle. Ziel war zunächst einmal, ein Klimaanpassungskonzept zu entwickeln. Wir haben geschaut: Was passiert im Bezirk eigentlich schon? Wie können wir das Thema Klimaanpassung in der Verwaltung und mit Akteuren aus dem Kiez voranbringen? Jetzt geht es um die Umsetzung der ersten Maßnahmen. Es gibt Projekte, die wir selbst umsetzen. Ich schaue zum Beispiel: Wo können wir im Bezirk Trinkbrunnen aufstellen? Und dann koordiniere ich auch viel. In einem Projekt soll die Fassade einer Schule begrünt werden. Dafür spreche ich mit der Schule, dem Schulamt, dem Gebäudemanagement und dem Straßen- und Grünflächenamt.

Warum wurde diese Stelle geschaffen?


In Berlin hat jeder Bezirk eine:n Klimabeauftragte:n, das ist so vorgeschrieben. Bei uns, in Friedrichshain-Kreuzberg, haben wir noch drei zusätzliche Stellen, die über extra Fördermittel finanziert wurden: Zwei Klimaschutzmanagerinnen und eine Klimaanpassungsmanagerin. Friedrichshain-Kreuzberg ist der am dichtesten besiedelte Bezirk in Berlin und besonders vom Klimawandel betroffen.

Das sind keine guten Ausgangsbedingungen. Was wird im Bezirk getan, damit die Hitze erträglicher wird?

Hochbeete mit heimischen Stauden auf einer verkehrsberuhigten Zone in Berlin-Friedrichshain
Hochbeete mit heimischen Stauden auf einer verkehrsberuhigten Zone in Berlin-Friedrichshain

Zum Beispiel wurde letztes Jahr das Görlitzer Ufer neugestaltet. Das war vorher eine versiegelte Straße, an der viele Autos parkten.Rund 1000 Quadratmeter wurden entsiegelt. Auf der frei gewordenen Fläche wurden Wildpflanzen angepflanzt und heimische Blumen gesät.So kann das Regenwasser besser versickern und vor Ort verdunsten – das verbessert das Mikroklima. Außerdem wird dadurch die heimische Artenvielfalt gefördert. Das Ufer ist jetzt für den Autoverkehr gesperrt, stattdessen wurden die Radwege ausgebaut. Im nördlichen Teil gibt es nun Sitzgelegenheiten und Sportgeräte. An diesem Beispiel sieht man, dass Klimaanpassung vielfältig ist: Es geht um Lösungen für die Hitze und den Starkregen. Aber es geht auch um Biodiversität, klimaneutrale Mobilität und darum, einladende Plätze in der Stadt zu schaffen, an denen man gerne zusammenkommt.

Können Sie weitere Beispiele nennen?


Beim Thema Regenwasser ist manchmal das Problem: Es fällt an einer Stelle an, wird aber an einer anderen gebraucht. Der Evangelische Georgen-Parochial-Friedhof zum Beispiel ist stark vom Klimawandel beeinträchtigt. Er braucht pro Jahr über 2.000 Kubikmeter Wasser, um seine Flächen zu bewässern und vor dem Vertrocknen zu schützen. Bisher wurde dafür Trinkwasser verwendet. Um das einzusparen, wurde eine große Zisterne gebaut, in der das anfallende Regenwasser vom benachbarten Neubau gesammelt wird. Das kann der Friedhof nun für die Bewässerung nutzen. Wir versuchen diese Idee gerade auch auf andere Orte zu übertragen. Außerdem entsiegeln wir jedes Jahr weitere Flächen. Dann wird zum Beispiel die Grünfläche um einen Baum erweitert oder ein Gehweg in eine Grünanlage umgewandelt. 2023 und 2024 wurden bei uns im Bezirk insgesamt 6.300 Quadratmeter entsiegelt.

Gießkanne
Flächen entsiegeln und Regenwasser sammeln sind zentrale Maßnahmen der Klima-Anpassung.

Was bringen all diese Maßnahmen?


Je mehr Regenwasser versickern kann, umso besser. In Berlin-Mitte wurde mal gemessen, dass es ausreicht, fünf Prozent der Fläche zu entsiegeln, damit 80 Prozent des Regenwassers versickern kann. So werden Pflanzen und Bäume an heißen Tagen besser mit Wasser versorgt. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Regenwasser dann nicht in die Kanalisation fließt. Bei uns in Berlin landen Regenwasser und Schmutzwasser im gleichen Kanalsystem. Das ist bei Starkregen dann häufig überlastet, sodass viel Schmutzwasser in die Spree gelangt. Das führt häufig zu Fischsterben. Je mehr Regenwasser also direkt versickert, desto mehr wird auch die Kanalisation entlastet. Das Anpflanzen von Bäumen wiederum verbessert das Mikroklima. Unter Bäumen kühlt die Lufttemperatur zwischen acht und zwölf Grad ab – das ist ein spürbarer Unterschied.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie?


Den Baumbestand zu erhalten, oder neue Bäume zu pflanzen, ist in einer Stadt aus Platzgründen gar nicht so einfach. Man muss Rücksicht nehmen auf den Ausbau von Fernwärme, von Glasfaserkabeln, auf E-Ladesäulen und Abwasserkanäle. Da passiert sehr viel im Untergrund und es kann nicht einfach überall ein Baum hingepflanzt werden. Gegen die Hitze würde es auch helfen, im öffentlichen Raum Sonnensegel aufzubauen oder Sprühnebel zu installieren. Doch wer kümmert sich dann um die Wartung und Instandhaltung? Eine Herausforderung ist auch die Finanzierung: Politisch wird oft klar formuliert, dass wir Klimaanpassung brauchen. Doch in Berlin sind für die Grünflächen entlang von Straßen und Wegen beispielsweise nur ein paar Cent pro Quadratmeter und Jahr für die Pflege vorgesehen. Mit diesem Geld lässt sich nicht viel machen. Zum Glück haben wir eine sehr engagierte Zivilgesellschaft, die viele Flächen bepflanzt und pflegt. Um dieses Engagement zu unterstützen, wurde in diesem Sommer eine Koordinierungsstelle für Gemeinschaftliches Gärtnern eingerichtet.

Hochbeet Urban Gardening
Hochbeete sind nicht nur gut für's Klima, sondern bringen Menschen zusammen und verschönern den Kiez.

Welche Klimaanpassungs-Projekte sind noch geplant?


Wir haben letztes Jahr Fördermittel für Piko-Parks eingeworben – das sind kleine, naturnahe Parks von 100-500 Quadratmetern. Sie werden auf ungenutzten oder brachliegenden Flächen in der Stadt angebaut und mit heimischen Blühpflanzen und Stauden bepflanzt. So entsteht mitten in der Stadt eine kleine grüne Oase zum Erholen. Ein paar davon wollen wir auch in Friedrichshain-Kreuzberg entwickeln. Denn sie helfen, den Bezirk lebenswert zu machen. Klimaanpassung ist eben auch eine Frage der Gesundheit und der Lebensqualität.