Freitag demonstrieren - Am Wochenende diskutieren – Ab Montag anpacken und umsetzen ist das Motto der Titelseite. Wie dies geschehen kann, formuliert die Autorin in 53 „Aufgaben für den Anfang“ zum Ende des Buches.
Prof. Dr. Claudia Kemfert ist ein bekanntes Gesicht im Bemühen um eine zukunftsfähige Energiewende. Sie ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Abteilungsleiterin für Energie, Verkehr, Umwelt am Institut der Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Als Gutachterin und Politikberaterin ist und war sie in verschiedenen Nachhaltigkeitsbeiräten und Kommissionen tätig. 2016 wurde sie in den Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berufen und ist im Rahmen der zweiten Amtszeit Co-Vorsitzende.
Die Autorin legt ihre Gefühle klar offen: Der Frust über zwei Jahrzehnte zähes Ringen zur Bekämpfung des Klimawandels kommt ebenso zum Ausdruck wie die Freude über das – endlich – vorhandene breitere Bewusstsein für die Notwendigkeit. Sie spannt den Bogen von den ersten Erkenntnissen, Konferenzen, prominenten Berichten und Beschlüssen der achtziger Jahre bis in die heutige Zeit des „New Green Deal“ der Europäischen Union und dem „Klimapaket“ der aktuellen Bundesregierung. Dabei geht es vorrangig um das „Wie“ von Klimaschutz in Realität, weniger um Fragen des „ob“ oder „warum“ – davon wird in anderen Publikationen auch hinreichend gehandelt.
Als Politikberaterin ist C. Kemfert intensiv mit dem Ist-Zustand der deutschen Politik und Verwaltung befasst. Deshalb legt sie eingehend offen, weshalb Klimaschutz in der aktuellen Situation noch nicht schlagfertig auf den Weg gebracht wurde bzw. werden konnte. Und sie setzt sich mit der Realität in großen Unternehmen auseinander, die zwar vollmundig über Nachhaltigkeit und ihre Nachhaltigkeitsbeiräte kommunizieren, nicht aber hinreichend in ihrer Geschäftspolitik berücksichtigen. Das Buch liefert frappierende Beispiele, wie gute Absichten durch schlechte Ausführung konterkariert werden oder gar Interessens- (bzw. Interessenten-) politik mit vordergründig gutmeinenden Verpackungen kaschiert werden. Letzteres eindrucksvoll am Beispiel des öffentlichen Personenverkehrs in den Vereinigten Staaten.
Eine weitere Rezension von Ralf Breuer findet sich hier
Manche wichtige Entwicklung der vergangenen Jahre wird nur kursorisch gestreift oder aber mit pauschalen Bewertungen („greenwashing“) entwertet. Dies trifft insbesondere auf die Einschätzung unternehmerischer Klimastrategien zu. Auch nach Ansicht des Rezensenten verdienen die bisher kommunizierten Klimaziele von Unternehmen eine differenzierte und kritische Bewertung. Und tatsächlich ist manche „Strategie“ eher Marketing als wirkliches Bemühen. Dann wäre es allerdings wünschenswert gewesen, einmal eine unternehmerische Klimastrategie als mustergültig vorzustellen, z.B. unter Einbeziehung aller Emissionsklassen und unter Absorption aller bisher verursachten Emissionen sowie in der Unterscheidung zwischen kompensierter und echter Klimaneutralität.
Das Buch ist ganz überwiegend dem Klimaschutz gewidmet, fordert aber ganz ausdrücklich zum mehrdimensionalen (nachhaltigen) Denken und Handeln auf. Mehrdimensionalität bezieht sich dabei auf die Zeit (im Vergleich zur Erdgeschichte), die Welt (Effekte/Defizite in anderen Ländern/Regionen) und die Generationen(-gerechtigkeit).
Über den Autor
Dr. Ralf Breuer
Ralf Breuer ist promovierter Volkswirt. Er hat rund 40 Jahre Erfahrungen in der Kreditwirtschaft aus den verschiedenen Blickwinkeln gesammelt. Heute ist er Berater, Experte und Lehrbeauftragter im Bereich der nachhaltigen Finanzen. Er betreibt u.a. den Blog Investabel (https://investabel.wordpress.com/). Dort setzt er sich tiefgreifend und detailliert mit der nachhaltigen Finanzwirtschaft auseinander.
C. Kemfert stellt Klimaschutz dabei immer wieder in den Kontext des breiten Nachhaltigkeitsverständnisses der „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen von 2015 mit ihren 17 Themenfeldern. Leider versäumt sie es, den Lesern den ungemein hohen Wert der Agenda als Handlungsrahmen für Individuen und Organisationen jedweder Art nahezubringen. Dabei macht die Agenda gerade den Weg frei für Klimaschutz und andere Nachhaltigkeitsziele, da sie unpolitisch (oder ungrün) auch ein eher konservativ geprägtes Wertverständnis anspricht. Folgerichtig betonen auch die beiden größten deutschen Amtskirchen den Wert der „17 Ziele“ im Sinne ihres gemeinsamen ökomenischen Verständnisses, was ihren Wert für die notwendigen gesellschaftlichen Diskussionen und Veränderungen noch einmal deutlich verstärkt.
Das Buch macht anschaulich, dass Klimaschutz nach den ersten breiten internationalen Erkenntnissen mehr als 30 Jahre nachlässig angegangen wurde und es zeigt, wo und wie die Hindernisse zur Bekämpfung des Klimawandels beseitigt werden können. Dabei nicht nur auf der Ebene des „Großen und internationalen Ganzen“, sondern auch im eigenen Verhalten. Beim Abschluss dieses Textes wurde wieder demonstriert und hoffentlich in den kommenden Montagen wieder etwas mehr angepackt und umgesetzt.
Claudia Kemfert: Mondays for Future, 2. Auflage 2020, Murmann Publishers Hamburg, ISBN 978-3-86774-644-1
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